Aufruf der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingsschabbat 2023 am 17./18. Juni 2023
Jeder kleine Schritt zählt
«Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.» (Stefan Zweig, 1881–1942, österreichischer Schriftsteller).
Tagtäglich werden wir in den Medien überhäuft von Nachrichten von bewaffneten Konflikten wie in der Ukraine. Niemand weiss, wie lange dieser letztere sich noch hinziehen wird. Hinzu kommen sich verschlechternde Lebensbedingungen, Hunger und humanitäre Krisen in Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Iran, Somalia und Syrien, um nur ein paar Beispiele zu nennen. In der Folge sehen sich immer mehr Menschen gezwungen, ihr Heimatland, ihre Familie und all ihre Habe zu verlassen und zu flüchten. Nicht selten auf lebensgefährlichen Wegen und unter Zuhilfenahme von Schleppern, denen sie schutzlos ausgeliefert sind. Diese Flut an Nachrichten und Schicksalen ruft in uns ein Gefühl der Ohnmacht und Überforderung hervor. Was können wir als Einzelne schon zur Linderung oder Lösung dieser Probleme beitragen?
Es scheint vielleicht nicht viel, was wir als Einzelne tun können, vor dem Hintergrund der immer grösser werdenden Probleme und Notlagen: beispielsweise eine Spende an eine Organisation, die sich für Menschen auf der Flucht einsetzt oder die Lebenssituation in der Heimat vieler Flüchtender zu verbessern sucht, so dass eine Flucht schon gar nicht erst nötig ist; die Unterstützung der Nachbarsfamilie, die erst vor Kurzem in die Schweiz geflohen ist, und für welche die Bewältigung des Alltags und die Integration in ein fremdes Land mit fremder Sprache eine grosse Herausforderung bedeutet; unser Einsatz in Politik und Gesellschaft, dass in unserem Land die Rechte aller Menschen geachtet werden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion und ihrem Aufenthaltsstatus; ein bewusster Lebensstil, der die Ressourcen dieser Erde schont und somit dazu beiträgt, dass die Erde für möglichst viele ein lebensfreundlicher Ort bleibt; ein freundlicher Blick, der unserem Gegenüber zu verstehen gibt, dass es wertvoll und geachtet ist.
Es sind vielleicht kleine Schritte. Und doch lohnt sich jedes Engagement. Denn wenn jeder und jede auch nur einen kleinen Schritt tut, so erreichen wir gemeinsam doch Entscheidendes, um unser Land und diese Welt für alle Menschen und die gesamte Schöpfung lebensfreundlicher zu gestalten. Nicht zuletzt entspricht ein solches Engagement auch der humanitären Tradition unseres Landes und unseren Werten als christliche Kirchen und jüdische Gemeinschaft. Nach der jüdisch-christlichen Tradition haben alle Menschen ihren Ursprung in Adam, sozusagen dem Urmenschen. Diesen hat Gott als sein Ebenbild erschaffen. So sind vor Gott alle Menschen gleich und alle haben dieselbe Würde unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Nationalität und ihrer Religion. Diese gottgegebene Würde gilt es ungeachtet jeglicher Situation und Umstände zu achten und zu verteidigen, gerade auch gegenüber Menschen, die auf der Flucht sind, bei uns Schutz suchen und in dieser Ausnahmesituation besonders verletzlich sind. Lasst uns deshalb noch heute den nächsten kleinen Schritt hin zu einem lebensfreundlicheren Umfeld für die Menschen hier und in aller Welt tun.
Rita Famos, Präsidentin
Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS
Bischof DDr. Felix Gmür, Präsident
Schweizer Bischofskonferenz SBK
Bischof Dr. Harald Rein
Christkatholische Kirche der Schweiz CKS
Dr. Ralph Lewin, Präsident
Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund