Bibelstudium – Heilige Drei Könige - Erscheinung des Herrn (Epiphanias)
11. Vollversammlung
Dieser zweite Text ist Teil einer Reihe von Bibelstudien zur Vorbereitung der 11. ÖRK-Vollversammlung und wurde von Stephanie Dietrich, einer ordinierten Priesterin der Lutherischen Kirche Norwegens, verfasst.
Einleitung
Beim Dreikönigsfest, dem Fest der Erscheinung des Herrn, steht Christus, das Licht der Welt, im Mittelpunkt. Es zieht Gläubige und Nichtgläubige an den Ort, an dem Gott als schutzbedürftiges Kind inmitten von Verfolgung und Verzweiflung Menschengestalt annahm. Das Datum des Dreikönigtags war im Jahre 300 im Osten festgelegt worden und wurde schon bald auch im Westen als Fest von Christi Geburt gefeiert. In der westlichen Überlieferung konzentrierte sich das Fest ab dem 13. Jahrhundert auf die drei Weisen oder „Sterndeuter“, von denen man annahm, dass es sich um Könige handelte, die aus dem Morgenland gekommen seien. In einigen Ländern verkleiden sich Kinder als die „drei Könige“, gehen von Haus zu Haus und schreiben einen Segen für das neue Jahr über die Eingangstüren, während sie Spenden für diakonische Zwecke sammeln. In der westlichen Tradition kommt Epiphanias, die Erscheinung des Herrn oder der „Dreikönigstag“, im natürlichen Ablauf nach dem Weihnachtsfest, also 12 Tage nach dem Weihnachtstag. Der Tag steht ihn enger Verbindung mit der Geschichte von der Geburt Jesu in Bethlehem, der anschließenden Flucht seiner Familie vor Herodes nach Ägypten und schließlich ihrer Rückkehr nach Nazareth, wo sie sich niederließen, genau wie es im Alten Testament vorhergesagt wurde.
Bibelstelle: Matthäus 2,1-12
Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten:
»Und du, Bethlehem im Lande Juda,
bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas;
denn aus dir wird kommen der Fürst,
der mein Volk Israel weiden soll.«
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir‘s wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Betrachtung
Dieser kurze Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium beschäftigt die Vorstellungskraft von Christinnen und Christen seit Jahrhunderten und trug zur Bildung zahlreicher Legenden bei. Die Weisen wurden mit Gelehrten, Königen oder Sterndeutern gleichgesetzt. In der westlichen Kirche erhielten sie ohne biblischen Beleg die Namen Caspar, Melchior und Balthasar. Die Weisen aus Matthäus 2 werden als Personen dargestellt, die tun, was ihnen aufgetragen wurde, die ihrem Ruf folgen, nicht nach Ehre für sich selbst trachten und sich selbst bereitwillig erniedrigen, indem sie vor einer Frau und einem Kind niederknien, wie es Bedienstete tun. Die Weisen sind Menschen, die von weither gekommen sind, die nicht der jüdischen Gemeinde angehören, denen Gott durch Christus offenbart, was verborgen ist, das Licht, das sich selbst durch den wegweisenden Stern offenbart. Schon als Säugling ruft Jesus sowohl Anbetung als auch Feindschaft hervor – Themen, die im gesamten Bericht des Evangelisten Matthäus von zentraler Bedeutung sind.
Die Weisen verkörpern somit die ersten von vielen der im Matthäus-Evangelium geschilderten Menschen und Persönlichkeiten, die Jesus verehren. Das griechische Wort, das für die Verehrung durch die Weisen gewählt wurde, lautet proskynéo und bezeichnet die Verehrung, die allein Gott erwiesen wird (Matt. 4,11). Wenn also die Weisen laut der Erzählung aus Matthäus 2 Jesus verehren, dann verehren sie Gott, der durch und in dem Knaben Jesus gegenwärtig ist.
Die Erzählung offenbart auch die Feindschaft, die Jesus und seiner Familie von den Mächtigen seiner Zeit entgegenschlug und die Familie zur Flucht nach Ägypten trieb, um Verfolgung und Tod zu entgehen.
In unserer biblischen Geschichte kann die Liebe Christi gleichgesetzt werden mit dem Licht, das aus der Krippe strahlte. Gott, der Mensch geworden ist, zieht auf unvorhergesehene Weise Menschen von weither an und führt sie zu Gott. Die Weisen, bei denen es sich offensichtlich um Ungläubige handelt, um Männer mit heidnischem Hintergrund, die nichts über diesen „König der Juden“ wissen, werden berufen, nach ihm zu suchen und Gott zu verehren, der als kleines Kind in einer Krippe gegenwärtig ist. Sie sind diejenigen, die die Heilige Familie finden, nicht König Herodes und seine Ratgeber, die „Hohenpriester und Gesetzeslehrer“. Ohne es zu wissen spielen die Weisen eine Schlüsselrolle in der sich anbahnenden Tragödie: der Verfolgung und Ermordung aller Knaben, die nicht älter sind als zwei Jahre, und der dramatischen Flucht von Jesus und seinen Eltern nach Ägypten.
Der Text zeigt auf, wie Gott sein Göttliches Selbst den Menschen außerhalb der Glaubensgemeinschaft kundtut. Es gib kein „Innen“ und kein „Außen“. Vielmehr sind es gerade jene Menschen, die als Außenstehende empfunden wurden, die sich am Ende im Inneren befinden und die Identität Gottes erkennen und ihn wahrhaft anbeten als die Menschwerdung in Jesus. Gott ruft die Menschen auf, Seinem Licht zu folgen. Einige werden dem Ruf folgen, andere nicht. Doch alle sind aufgerufen, nach Gott zu suchen, und alle sind aufgerufen, zusammen in Einheit zu suchen und nach Einheit zu streben. Die Einheit im Glauben, nach der die Menschheit aufgerufen ist zu streben, ist ein Aufruf von Gott, gemeinsam dem Licht zu folgen, das uns zur Krippe führt.
Trotzdem steht in unserem Text nichts, was die Geschehnisse glorifiziert. Bei den Geschenken, die die Weisen mitbrachten – Gold, Weihrauch und Myrrhe – handelte es sich um die traditionellen Geschenke für einen König, doch auch um die Gaben, mit denen ein Leib für die Beisetzung hergerichtet wurde. Schon von Beginn an begründet Matthäus das Königtum Jesu und deutet das Werk an, das er zu Ostern vollbringen wird: seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung.
Die Geschichte der Weisen weist auch eindeutig auf den Glauben hin, dass die Erlösung durch Gott für alle Menschen gedacht ist, auch für jene, die als Ungläubige gesehen werden, die sich jedoch durch das Licht und den Aufruf zur Anbetung und zum Gottesdienst zu Christus hingezogen fühlen. Matthäus‘ Geschichte erinnert uns daran, dass die Abgrenzung zwischen „Innenstehenden“ und „Außenstehenden“ mit dem Kommen Christi begonnen hat, sich zu zersetzen und nun verschwunden ist. Einige der vermeintlichen „Innenstehenden“ (Herodes Berater) waren „Außenstehende“. Die Außenstehenden, die ausländischen und fremden Weisen, die demütig dem Licht des Sterns folgten, wurde zu jenen, die die Wahrheit in Jesus gefunden hatten.
Einheit im Glauben bildet sich nicht durch persönliche Errungenschaften oder einen bestimmten Status, sondern durch den Willen, gemeinsam danach zu streben, zu Gottes Licht, zu Gottes Krippe, zu Gott, der in Jesus Christus arm und verfolgt wurde, zu gelangen.
Christus Aufruf, ihm nachzufolgen, ist somit ein Aufruf zur Einheit der Menschheit, ein Aufruf, zusammen nach dem Licht Christi zu suchen, nach der richtigen Art zu streben, um Gott in der Krippe zu finden und ihn wahrhaft anzubeten. Auf diese Weise wird die Erzählung der Erscheinung des Herrn auch zu einem radikalen Aufruf zur Einheit im Glauben sowie in Gottesdienst, Zeugnis und Dienst. Die kirchliche Feier der Erscheinung des Herrn sollte keine triumphale Feierlichkeit für all jene sein, die aufgrund ihres privilegierten Status das Licht gesehen haben, sondern es handelt sich dabei um eine deutliche Mahnung an uns, dass Gottes Herrlichkeit sich dort offenbart, wo wir sie am wenigsten erwarten. Manchmal scheint das Licht Christus durch unser Licht, wenn das Volk Gottes den anderen ein Licht ist (Jes. 60,3; Eph. 3,10)
Das Licht Christi kann die Welt zur Einheit in Glauben und Menschlichkeit bringen, wenn wir von seinem Licht gemeinsam zu Christus gezogen werden, damit wir der Welt durch Verkündigung, Zeugnis und Dienst, durch diakonia, als Licht dienen.
Fragen zur weiteren Reflexion
- Wo können wir in unserem eigenen Leben, unseren Gemeinden und Gesellschaften nach dem Licht Christi suchen?
- Wo befinden sich die Innenstehenden und Außenstehenden unserer Gemeinden?
- Was bedeutet es für uns, nach Einheit im Glauben zu streben?
- Was bedeutet es für uns, nach Einheit in Zeugnis und Dienst zu streben?
- Wie können wir dazu beitragen, das Licht Christi in unserem eigenen Umfeld zu verbreiten?
Gebet
Herr unser Gott, an diesem Tag hast du durch die Führung eines Sterns deinen Sohn allen Völkern offenbart. Führe uns nun durch den Glauben, auf dass wir deine Gegenwart in unserem Leben erkennen, und lass uns schließlich ganz deiner Herrlichkeit ansichtig werden, durch deinen Sohn, Jesus Christus, unseren Herrn, der lebt und mit dir und dem Heiligen Geist herrscht, alleiniger Gott, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen. (Lutheran Book of Worship(lutherisches Gebetbuch))
Hymnus: „Deilig er den himmel blå“ (Herrlich ist der Himmel blau)
Hell und prächtig strahlt der Himmel,
Glänzend ist das Himmelsreich,
Wo die goldenen Sterne scheinen
und ihre Strahlen zur Erde neigen,
Und uns damit zum Himmel winken,
Und uns damit zum Himmel winken.
In dieser heiligen Weihnachtsnacht,
Schien durch das Dunkel ein Licht.
Es ließ alle Sterne erblassen,
Und ihren Glanz sacht verlöschen.
Als der Weihnachtsstern näher kam,
Als der Weihnachtsstern näher kam
Als die Weisen aus dem fernen Osten,
Diesen wundersamen Stern sahen,
Zogen sie aus, den König der Völker zu finden,
Und ihre Opfergaben darzubringen,
Ihm als Herrn und König,
Ihm als Herrn und König.
Sie fanden ihn zu Bethlehem,
Doch trug er keine Krone;
Sie sahen eine niedrige Magd,
Mit einem Säugling rein und heilig,
Der in ihren zarten Armen lag,
Der in ihren zarten Armen lag.
Geleitet von dem Stern fanden sie
Ihn, dessen Ruhm durch alle Zeiten wandert.
Auch wir haben einen Stern, der uns führt,
Der auf ewiglich uns spendet
Das Licht zu finden unsern Herrn,
Das Licht zu finden unsern Herrn.
Wie ein Stern führt Gottes Wort,
Uns zu unserem Herrn und Gott,
Hell leuchten seine heiligen Seiten
uns zu führen durch die Zeiten
Scheine hell auf unsere Wege,
Scheine hell auf unsere Wege.
N.F.S. Grundtvig 1810
Melodie Gesangbuch der Kirche von Norwegen, Lied Nr. 90, von Jacob Gerhard Meidell, 1840
Über die Autorin
Stephanie Dietrich ist ordinierte Priesterin der lutherischen Kirche von Norwegen und arbeitet als Professorin für Theologie an der Fachhochschule VID Specialised University in Oslo. Sie ist Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und der Lutherisch-Orthodoxen Dialogkommission.