L–R, Leuenberg–Rhein
Das A bis Z der Schweizer Reformation
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Leuenberg.
1973 wird zwischen den reformierten und lutherischen Kirchen eine Konkordie getroffen, um die wesentlichen Differenzen vor allem in Bezug auf das Verständnis des Abendmahls und die Prädestination zu bereinigen. Die Unterzeichner geben zu, dass ihre seit dem 16. Jahrhundert andauernden Konflikte von kulturellen Unterschieden mitverursacht wurden und dass sie im Grunde den selben Glauben teilen. Die Leuenberger Konkordie verbietet jedwedes Begehren verstehen zu wollen, wie Gott funktioniert. Dabei geht es um die Frage, ob Jesus Christus im Brot und im Wein des Abendmahls lebendig zugegen ist. Es geht aber auch um das Geheimnis von Gottes Wirken in Bezug auf das Schicksal des Menschen, ob ihm Gott nach dem Tod Gnade schenkt oder ob er ihn ewig verdammt. Calvin antwortet auf die Frage, was Gott vor der Erschaffung der Welt getan habe: «Gott erschuf die Hölle für die Neugierigen.»
Monster.
«Dieser Meermönch ward mit Heringen zusammen vier Meilen von Koppenhagen gefangen. Seine Grösse betrug vier halbe Armslängen; sein Kopf war etwas klein, rund, weisslicht, und mit einem kleinen schwarzen Zirkel umgeben, wie der Kopf eines neugeschornen Mönchs. Sein Gesicht hatte menschliche Bildung, war mohrenschwarz, seine Augen stier und schrecklich, und seine Physionomie grauerlich. Aus seinem Rücken giengen zwey runde und spitz zulaufende Flossfedern hervor, die gleichsam zwey Aerme bildeten.» Beschreibung des 1546 in Dänemark gefangenen Mönchsfischs, die der Schweizer Rudolf Wirth als Vorahnung für die Identitätslosigkeit der Katholiken nach der Reformation übernimmt. Wirth ist der Enkel eines Gefährten von Zwingli, der wie dieser im Zweiten Kappelerkrieg zu Tode kam.
Müdigkeit.
«Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben.» Dieser Text nimmt einen Vers des Matthäus (11,28) auf, mit dem Zwingli eine Grosszahl seiner Schriften beginnt.
Niklaus von Flüe.
Niklaus von Flüe (1417–1487) träumt, dass ein Pferd eine Lilie frisst. Die Blume als Symbol der geistigen Reinheit wird vom Tier, das für die menschliche Tätigkeit steht, verschlungen. Diese Vision bringt den ehemaligen Soldaten und schreibunkundigen Richter dazu, sich aus seinem aktiven Leben zurückzuziehen. Er verlässt Frau und zehn Kinder, um sich für 19 Jahre zur Meditation in eine Klause in Flüeli-Ranft in der Zentralschweiz zurückzuziehen. Inspiriert wird er vor allem durch die Lehren Taulers und dessen «Freunde Gottes». Bruder Klaus isst nichts ausser den Hostien der Eucharistie. In Krisenzeiten holt man seinen Rat. Seine erfolgreichen Vermittlungen machen ihn zum Begründer der Pax Helvetica. Niklaus von Flüe ist eine der ersten Figuren der Reformation des ausgehenden Mittelalters. Zwingli orientiert sich an dessen Denken und Kampf gegen das Söldnertum. 1947 wird Niklaus von Flüe heiliggesprochen und Karl Barth, der grosse protestantische Theologe aus Basel, würdigt die Bedeutung des katholischen Heiligen für die Identität der Schweiz.
Ökumene.
Die Annäherungsversuche zwischen Protestanten und Katholiken setzen nicht erst im 20. Jahrhundert ein. Seit
Beginn der Glaubensspaltung lassen sich zwischen den gegensätzlichen Konfessionen zumindest gemeinsame Anliegen feststellen: In Bezug auf das Verhältnis von Kirche und Staat sind sich Luther, Zwingli und Calvin einig. Sie sind gegen die revolutionäre Radikalität von Bauern und Täufern. Auch in Fragen des Geldes, der Musik und natürlich der Sakramente prallen die Meinungen nicht immer aufeinander. Was die Beziehung der Kirche zu den Gemeindemitgliedern angeht, so lässt sich in beiden Konfessionen eine Bewegung zur Wiedereinsetzung der geistigen und pastoralen Macht feststellen.
Beginn der Glaubensspaltung lassen sich zwischen den gegensätzlichen Konfessionen zumindest gemeinsame Anliegen feststellen: In Bezug auf das Verhältnis von Kirche und Staat sind sich Luther, Zwingli und Calvin einig. Sie sind gegen die revolutionäre Radikalität von Bauern und Täufern. Auch in Fragen des Geldes, der Musik und natürlich der Sakramente prallen die Meinungen nicht immer aufeinander. Was die Beziehung der Kirche zu den Gemeindemitgliedern angeht, so lässt sich in beiden Konfessionen eine Bewegung zur Wiedereinsetzung der geistigen und pastoralen Macht feststellen.
Paradoxe.
Zwingli liebt die Musik und verbannt den Gesang aus der Kirche. Er unterstützt die Politik von Papst Leo X. und bricht mit der römisch-katholischen Kirche. Als Pfarrer flucht er wie ein Fuhrmeister, als Theologe benutzt er eine schöne und klare Sprache. Er leiht sich die Friedenssehnsucht von Erasmus, bleibt aber bis Ende seines Lebens ein Kriegshetzer. Er ist ein eingefleischter Eidgenosse, begeistert sich jedoch leidenschaftlich für die europäische Politik.
Pferd.
«Die Welt ist ein betrunkener Bauer», sagt Luther. «Hebt ihr ihn von der einen Seite aufs Pferd, so fällt er auf der anderen wieder herunter.»
Porträts.
Von Luther, der bis heute die am meisten dargestellte Persönlichkeit der deutschen Geschichte ist, werden zu Lebzeiten über 500 Porträts angefertigt. Von Zwingli gibt es deren drei. Der Zürcher Reformator hasst den Bilderkult wie die Pest und fürchtet sich davor, was mit seinen Porträts posthum geschehen kann. Calvin wiederum will in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt werden, damit es ja zu keinem Reliquienkult kommt. Heute grenzt sein angebliches Grab in Genf an jenes einer Schriftstellerin, die sich ihren Lebensunterhalt mit Poesie und Prostitution verdient hat.
Prophezey
Zwingli organisiert jeden Tag öffentliche Kurse zum Bibelstudium in Originalsprache (Hebräisch und Griechisch) oder zur Interpretation und Erklärung der Bibel. Diese Sitzungen erhalten den Namen «Prophezey» und enden jeweils mit einer Predigt. Aus diesem Ritual heraus wird die Bibelübersetzung von 1531 im lokalen Zürcher Dialekt entwickelt. Drei Jahre später folgt Luther mit einer Ausgabe seiner Übersetzung ins Hochdeutsche.
Rätselhaft.
Gott ist für die meisten Reformatoren zu gross, zu rätselhaft, als dass wir über ihn etwas aussagen können, was er uns nicht selbst enthüllt. Doch der Heilige Geist flüstert uns keine neuen Offenbarungen ein, wie es die Illuminaten und Enthusiasten denken. Nur die Bibel enthüllt, was der Mensch über Gott wissen muss.
Rechtfertigung.
Protestanten sind Pessimisten: Keine menschliche Initiative findet vor Gott Gnade. Nur durch den Glauben ist es einem Menschen möglich, «rechtens» vor Gott zu treten. Dieses grundlegende Credo der Reformation stammt von Paulus und Sankt Augustinus. Die einzige erlaubte Busse läuft darauf hinaus, dass man sich kasteit, weil man zu glauben gewagt hat, dass seine Busse einem Zweck diene. Der Glaube ist nur dann gewinnbringend, wenn er jeden Anspruch auf Gewinnbringung aufgibt.
Reformierte «Kirchenordnung»
1. Christus ist das alleinige Haupt der Kirche.
2. Die Ausbildung richtet sich nur nach der Bibel.
3. Bei ihrer Lesung versteht man, dass die Eucharistie ein einfaches Mahnmal ist.
4. Die Opfermesse ist überflüssig.
5. Nur der Glaube bringt Heil.
6. Gott rechtfertigt den Menschen.
7. Zwischen Gott und dem Gläubigen braucht es keinen Mittler.
8. Bilder sind gegen die Heilige Schrift.
9. Es gibt kein Fegefeuer.
10. Die Heirat von Pfarrern ist nicht verboten.
11. Die aussereheliche Sexualität ist verboten.
2. Die Ausbildung richtet sich nur nach der Bibel.
3. Bei ihrer Lesung versteht man, dass die Eucharistie ein einfaches Mahnmal ist.
4. Die Opfermesse ist überflüssig.
5. Nur der Glaube bringt Heil.
6. Gott rechtfertigt den Menschen.
7. Zwischen Gott und dem Gläubigen braucht es keinen Mittler.
8. Bilder sind gegen die Heilige Schrift.
9. Es gibt kein Fegefeuer.
10. Die Heirat von Pfarrern ist nicht verboten.
11. Die aussereheliche Sexualität ist verboten.
Rhein.
«Tut um Gottes Willen seinem Wort keinen Zwang an! Denn wahrlich, wahrlich, es wird so gewiss seinen Gang nehmen wie der Rhein». — Zwingli