Sorge um das gemeinsame Haus
Die heutige Weltlage, geprägt von Kriegen und Konflikten, Flüchtlingsströmen, Armut, Hunger und Klimakrise, bereitet Sorge und erfordert das Engagement von Politik und Gesellschaft. Die Schweiz spielt auf der Grundlage ihrer Verfassung international eine bedeutende und anerkannte Rolle.
Der Bund setzt die Entwicklungszusammenarbeit in enger Kooperation mit nationalen und internationalen Organisationen, Schweizer Hilfswerken mit lokalen Partnern sowie der Wirtschaft um. Die christlichen Kirchen leisten über ihre eigenen Hilfswerke einen wichtigen Beitrag. Es hat sich bewährt, dass in der Schweiz Hilfswerke und öffentliche Hand eine enge Zusammenarbeit pflegen, sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Gerade die nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit schafft es immer wieder, in Regionen zu helfen, wo dies staatliche Akteure nicht können oder keinen Zugang zu vernachlässigten Bevölkerungsgruppen haben. Im Falle von Katastrophen und grosser Not erhalten Menschen weltweit schnelle und effiziente Hilfe aus der Schweiz.
Die Kirchen als Partnerinnen
In der Schweiz fördern und pflegen die Kirchen eine Spendenkultur. Solidarität und konkrete Entwicklungszusammenarbeit werden zusätzlich durch den Einsatz vieler ehrenamtlich Engagierter in den Pfarreien und Kirchgemeinden mitgetragen. Es ist den Bürgerinnen und Bürgern klar, dass der Staat nicht alleiniger Akteur der Entwicklungszusammenarbeit ist und sein kann. Als Kirchen begrüssen wir deshalb sowohl den staatlichen Beitrag an die Entwicklungszusammenarbeit, der sich am UN-Ziel von 0,7% des Bruttonationalprodukts orientiert, als auch jedes private Engagement. In der Schweiz besteht eine enge und effiziente Kooperation unter den Hilfswerken wie auch mit dem Bund.
Auf katholischer Seite beschreibt die Enzyklika «Populorum Progressio» aus dem Jahr 1967 wesentliche Grundlagen katholischer Entwicklungszusammenarbeit. Sie betont die Notwendigkeit einer menschlichen Entwicklung, sieht darin eine grosse Friedensdividende und betont die Notwendigkeit eines neuen Nord-Süd-Verhältnisses. Weitere Enzykliken bestätigen diesen christlichen Auftrag und erweitern den Horizont bis hin zur Bewahrung der Schöpfung. Entsprechend ruft die Enzyklika «Laudato si’» von 2015 weltweit alle Menschen auf, den Schrei der Erde und der Armen zu hören und entsprechend zu handeln.
Auf reformierter Seite ist in diesem Kontext das Bekenntnis von Accra aus dem Jahr 2004 zu erwähnen. Es beruht auf der theologischen Überzeugung, dass die ökonomische und ökologische Ungerechtigkeit der heutigen Weltwirtschaftsordnung die reformierte Konfessionsfamilie herausfordert. Das Bekenntnis von Accra erklärt, dass Fragen ökonomischer und ökologischer Gerechtigkeit die Glaubwürdigkeit der Kirche betreffen.
Vier von fünf Menschen weltweit bekennen sich zu einer Religion. In vielen Ländern des Globalen Südens geniessen religiöse Akteurinnen und Akteure hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Als gesellschaftliche Kräfte leisten sie einen aktiven Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung und setzen sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort ein. In zahlreichen Partnerländern der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit werden Gesundheitsversorgung, Bildungsangebote und andere soziale Dienste zu grossen Teilen von Religionsgemeinschaften getragen. Sie sind auch in weit abgelegenen Gebieten präsent, in Not- und Konfliktsituationen und selbst dort, wo die staatlichen Einrichtungen zu schwach sind, um eine Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.
Gemeinsames Anliegen
Die Politik hat die schwierige Aufgabe, unterschiedliche Interessen abzuwägen. Besonders mit der veränderten Sicherheitslage in Europa und dem Unterstützungsbedarf der Ukraine haben sich die Vorzeichen im Ringen um die Bundesfinanzen verändert. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates sollen Milliarden an Entwicklungsgeldern, die bisher vor allem an Länder des Globalen Südens gingen, der Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Wir hoffen, dass dabei solidarisches und verantwortungsvolles Handeln gegenüber den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt für die Schweiz ein hohes Gut bleiben.
Im Bewusstsein der Komplexität der Lage verleihen wir auch unserem Anliegen Nachdruck, dass das Parlament seine Möglichkeiten ausschöpft und einen Weg findet, um von Kürzungen der Bundesbeiträge bei der Entwicklungszusammenarbeit abzusehen. Wir sind überzeugt: Es braucht eine starke Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. Wenn wir unsere Leistungen reduzieren, würde dies die Ärmsten und Verwundbarsten auf dieser Welt unverhältnismässig stark treffen. Für diese Menschen sollen sich Politik, Hilfswerke, Kirchen und die Zivilgesellschaft gemeinsam einsetzen.