Im Zentrum der Änderungsvorschläge steht die zuverlässige Handhabung der Widerspruchsmöglichkeit, die transparente und kohärente Umsetzung des neuen Entscheidungsverfahrens in die medizinische Praxis und die Klärung und Organisation der administrativen Zuständigkeiten. Die grundsätzliche Herausforderung bei der Widerspruchslösung besteht in einem für den liberalen Rechtsstaat ungewöhnlichem Vorgang. Denn das Grundrecht auf körperliche Integrität und Unversehrtheit (Artikel 10 Bundesverfassung) schützt nicht mehr voraussetzungslos vor einer Organentnahme, sondern verlangt neu den aktiven Widerspruch der Person. Damit die Widerspruchslösung nicht mit den Persönlichkeitsrechten kollidiert, muss der Staat sicherstellen, dass die Bevölkerung sorgfältig, hinreichend und verständlich über die Möglichkeit, einer Organentnahme zu widersprechen, informiert ist.

Der Rat EKS befürwortet die Organtransplantation und -spende. Obwohl er selbst für die Erklärungslösung eingetreten ist, setzt er sich nach der Annahme der Widerspruchslösung dafür ein, dass möglichst viele Menschen ihre Organe zur Verfügung stellen und dadurch vielen schwerstkranken Menschen ein gutes Leben ermöglicht wird. Deshalb begrüsst der Rat das Anliegen des Gesetzgebers und stimmt den Zielen und Bestimmungen der Verordnung grundsätzlich zu. Überarbeitungsbedarf besteht aus seiner Sicht in drei Punkten:

  1. Die Bestimmungen der Verordnung zur Feststellung eines Widerspruchs müssen sowohl aus ethischen als auch praktischen Gründen mit den geltenden medizin-ethischen Richtlinien der SAMW übereinstimmen. So schliesst die entsprechende medizin-ethische Richtlinie im Gegensatz zur Verordnung ausdrücklich den Widerspruch von Angehörigen mit ein, die zwar nicht erreichbar sind, aber deren ablehnende Einstellung bekannt ist. Dieser Widerspruch führt die Ärzteschaft in ein Dilemma und muss aufgelöst werden.
  2. Unakzeptabel ist die Auffassung des Gesetzgebers, dass mit vorbereitenden Massnahmen zur Organentnahme bereits vor der endgültigen Klärung eines möglichen Widerspruchs begonnen werden könne. Solche Massnahmen gelten grundsätzlich nicht der sterbenden oder verstorbenen Person und widersprechen deshalb dem ihr gegenüber bestehenden Nichtschaden- und Wohltun-Prinzip. Von diesen Pflichten darf nur im Blick auf eine angestrebte Organentnahme abgewichen werden. Die Feststellung über das Nichtvorliegen eines Widerspruchs ist fundamental, weil damit ein (ausnahmsweises) medizinisches Handeln an einer Person zugunsten einer dritten Person legitimiert wird.
  3. Einer grundlegenden Überarbeitung bedarf der 3. Abschnitt über das Organ- und Gewebespenderegister anhand der Kriterien der Verhältnismässigkeit, Transparenz, Zuständigkeit und Praktikabilität. Die Kopplung des Registers an die E-ID ist riskant, weil Probleme bei der Einführung der E-ID unmittelbar negative Auswirkungen auf die Organallokation und -verteilung hätten. Problematisch ist auch die Kompetenzzuschreibung an Swisstransplant. Einerseits behält sie ihre bisherigen Aufgaben, das Spendenregister zu führen, über die Organspende zu informieren und die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Andererseits wäre sie, im Gegensatz zu ihren bisherigen Aufgaben, neu auch für die sorgfältige und zuverlässige Information der Bevölkerung über die Möglichkeit, der Organentnahme zu widersprechen, zuständig. Diese konfliktreiche Konstellation kollidiert mit dem gesetzgeberischen Ziel einer systemisch transparenten und vertrauenswürdigen Praxis. Der Rat EKS plädiert dafür, die beiden, sich widersprechenden Aufgaben zu entkoppeln.

Zur Vernehmlassungsantwort

Änderung der Verordnung über die Transplantation von menschlichen Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsverordnung)

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