Jean-François Bill (1934–2005)
Missionar für die Missionsorganisation DM, Aktivist gegen die Apartheid in Südafrika und ökumenischer Theologe
«Man darf sich nicht zum Komplizen der Ungerechtigkeit machen, denn wenn man dem Evangelium verpflichtet ist, kann man nicht schweigen.»
Geboren als Sohn von Schweizer Missionaren war Jean-François Bill ein Weltbürger, der tief in seiner südafrikanischen Heimat verwurzelt war. Er war Waadtländer Abstammung. In seiner Familie wurde den Kindern beigebracht, den Dienst an der Gemeinschaft zu schätzen. Bill arbeitete als Pastor der Tsonga Presbyterian Church, die von der «Eglise libre» im Waadtland mitaufgebaut worden war. Er lehrte Theologie am ökumenischen Federal Theological Seminary.
Seine Versuche, sich zwischen den Identitäten als Weisser in Südafrika, als Schweizer, Pfarrer und Mutsonga zurechtzufinden, führten dazu, dass er sich ständig fehl am Platz fühlte. Viele drängten Bill, den einfachen Weg zu gehen und die offensichtliche und einfache Identität zu wählen: Schweizer. Andere rieten Bill, ein weisser Südafrikaner mit Schweizer Hintergrund zu werden, wie es viele andere Kinder von Missionaren taten. Aber was für ein Schweizer Bürger ist das, der im Elim-Spital geboren wird und in der Missionsstation in Shiluvane aufwächst? Was für ein weisser Südafrikaner ist das, der besser Tsonga spricht als viele mit Tsonga-Eltern? Solche Fragen verfolgten Bill sein Leben lang. Durch ein Stipendium in Chicago trafen Bill und seine Frau erstmals Anführer des Civil Rights Movement und veränderten ihr Weltbild.
1982 benannte sich seine Kirche um und wandelte sich von der eindeutig ethnisch und stammesbezogen ausgerichteten Tsonga Presbyterian Church in die stärker ökumenisch ausgerichtete Evangelical Presbyterian Church in South Africa (EPCSA). Es entwickelten sich zwei Strömungen: die «prêtres», welche mit dem Volk zusammenarbeiten und im Alltag die Apartheidpolitik ein Stück weit in Kauf nahmen, und die «prophètes», welche sich 1989 in «Standing for the truth» zusammentaten. Bill war überzeugt, dass man die vier reformierten Kirchen Südafrikas zur Vereinigten Presbyterianische Kirche des südlichen Afrikas unieren könnte. Er war Moderator der EPCSA-Synode. Bill wies der Kirche eine dynamische und gar dialektische Beziehung zur Gesellschaft zu, sie solle der Sauerteig im Mehlklumpen der Gesellschaft sein.
Sein Engagement im Widerstand gegen das Apartheidregime führte 1986 dazu, dass er neun Monate lang im Gefängnis von Johannesburg inhaftiert wurde und selbst seine Familie schwerste Repressalien erlebte. Zu seiner Verhaftung kam es, weil er in der Tradition kontextueller Theologie zum zehnten Jahrestag des Aufstandes in Soweto eine Gedenkfeier durchgeführt hatte. Nach seiner Entlassung wurde er auch aus der Kirchenleitung entfernt und verlor 1991 sein Pfarramt in der EPCSA.
Bills Haltung gegenüber der Apartheid war für die EPCSA heikel, da einige ihrer Führungspersönlichkeiten selbst in das Apartheidsystem verwickelt waren und mit der Homelands-Politik und den daraus resultierenden Zwangsumsiedlungen in Verbindung standen. Dies hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die Beziehungen der EPCSA zur Schweizer Missionsorganisation Département Missionnaire DM.
Die Apartheid in Südafrika zwang auch den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK), sich zwischen 1970 und 1990 intensiv mit dem Themenkomplex Armut, Rassismus und Unterdrückung auseinanderzusetzen. Verunsichert durch die prophetische Theologie des ÖRK und durch gesellschaftliche Wandlungsprozesse in der Schweiz tat sich der SEK zu Beginn der 1970er mit der Suche nach einer angemessenen Antwort schwer. Man stand vor der Wahl, entweder den ÖRK und dessen Antirassismusprogramm zu unterstützen und somit die Institution Kirchenbund einer Zerreissprobe auszusetzen, oder sich auf eine vorsichtige Gratwanderung voller Kompromisse einzulassen. Entgegen ÖRK und Reformierter Weltbund setzte der SEK die Apartheid nicht mit einer Sünde gleich und wand sich in den 1980ern in ‹kritischer Solidarität› mit den oppositionellen Kirchen in Südafrika um eine klare Stellungnahme herum. Der SEK bedauerte später seine Politik während der Apartheid und arbeitete die Ereignisse in 2004 in drei Studien auf. «Angesichts dieser Eindrücke bedauern wir, dass wir als Kirchen zu wenig eingestanden sind für die Menschen, die Opfer der Apartheid wurden, und für jene, die ihre Stimme gegen dieses Unrecht erhoben haben», sagte eine SEK-Delegation beim Südafrikabesuch 2001.
Bill selbst hingegen war Mitglied der Generalversammlung des Reformierten Weltbundes, der 1982 die Apartheid als Häresie verurteilte. Er wurde auch Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen. 1984 wurde Bill in Anerkennung seines Beitrags zur Ökumene und seines prophetischen Zeugnisses gegen die Apartheid die Ehrendoktorwürde der Universität Lausanne verliehen. 1988 wurde er ein Sekretär des Südafrikanischen Kirchenrats, ein Bund von Kirchen, die sich gegen die Apartheid stellten.