In seiner Stellungnahme «10 Fragen – 10 Antworten. Die Organspende als persönliche Gabe» plädiert der Rat EKS im Vorfeld der Abstimmung zur Änderung des Transplantationsgesetzes vom 15. Mai 2022 für eine alternative Lösung sowohl zum bisherigen Zustimmungsmodell als auch zur jetzt zur Abstimmung gebrachten erweiterten Widerspruchslösung. Die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene erweiterte Widerspruchslösung setzt die generelle postmortale Organspendenbereitschaft jeder Person voraus, ausser sie hat sich zu Lebzeiten ausdrücklich gegen eine Organentnahme ausgesprochen. Zudem wäre es den Angehörigen möglich, einer Organentnahme bei der verstorbenen Person stellvertretend zu widersprechen.
Aus ethischer Perspektive sind einige Punkte bedenkenswert: Kein Mensch verdankt sein Leben sich selbst. «Sowohl die Selbsthingabe des eigenen Körpers als auch die Verweigerung der Organspende gründen in gleicher Weise in dem Respekt gegenüber dem Geschenk des eigenen Lebens.» Daraus resultiert, dass die Organspende eine Gabe bleiben muss. Niemand könne aus moralischen Gründen verpflichtet werden, seinen Körper oder Teile davon anderen zur Verfügung zu stellen. Ob man freiwillig auf sein Recht auf körperliche Unversehrtheit, das auch nach dem Tode gültig bleibt, verzichtet, kann in den Augen des Rates EKS nur jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Die erweiterte Widerspruchslösung verkehre die Spende als Akt christlicher Nächstenliebe in eine bürgerliche Solidaritätspflicht. «Aus der altruistischen Haltung einer Person eine generelle solidaritätsmoralische Pflicht gegenüber der Allgemeinheit ableiten zu wollen, widerspricht den freiheitlichen Grundlagen des Rechts ebenso, wie den Prinzipien einer auf Autonomie gründenden Ethik und Moral», so der Rat in seiner Stellungnahme.
Besonders betont der Rat EKS in der Publikation die Situation der Organempfängerinnen und -empfänger. Sie benötigten die Gewissheit, «durch den ausdrücklichen Willen der spendenden Personen weiterleben zu können.»
Um sicher zu sein, dass eine Organspende nach dem Tod dem freien Willen den Spendenden entsprach und damit Würde, Persönlichkeits- und Freiheitsrechte geschützt sind, schlägt der Rat EKS in Anlehnung an die Nationalen Ethikkommission NEK das Erklärungsmodell vor. Diese bisher nicht breit diskutierte Lösung sieht vor, die Spendenbereitschaft systematisch zu ermitteln. Jede Person würde im Rahmen amtlicher Handlungen, etwa bei der Führerscheinerteilung, ID-Ausstellung oder in der Steuererklärung, zur Spende befragt. Die Optionen Zustimmung, Ablehnung oder keine Erklärung könnten ins nationale Transplantationsregister von Swisstransplant eingetragen werden. Dieses Modell bietet eine Entlastung der Angehörigen vom Entscheidungsdruck in einer höchst vulnerablen Situation des Abschieds und der Trauer. Es leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur medizinischen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für die Integration von Sterben und Tod in das eigene Leben und fördert die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für die Organknappheit.
Falls die erweiterte Widerspruchslösung im Mai abgelehnt wird, appelliert der Rat EKS an den Bundesrat, das Parlament und die zuständigen staatlichen Institutionen, das Erklärungsmodell zur Diskussion zu stellen und auf seine Tragfähigkeit hin zu prüfen.