Territoriale Veränderungen und Grenzziehungen, zerfallende multiethnische Grossreiche und neu entstehende Staaten hätten in Europa und im Nahen Osten zu neuen Ungerechtigkeiten und Verwerfungen geführt mit bis heute erheblichen Auswirkungen, so die GEKE. Durch die Friedensschlüsse vor 100 Jahren sei kein Frieden entstanden. In dem Papier geht es um Schuld, Versöhnung, Flucht, Migration, Minderheiten sowie Demokratie und Zivilgesellschaft. Den Kirchen ist bewusst, dass «die weltpolitische Situation heute eine sehr andere als vor 100 Jahren ist». Sie sehen jedoch im Blick auf den Ersten Weltkrieg Fragen und Herausforderungen, «die in den vergangenen 100 Jahren immer wieder hervortraten, aber kaum bewältigt wurden». Die Folgen des Krieges seien in manchen Ländern bis heute unterschwellig und indirekt gegenwärtig, heisst es. Beim Schuldthema wird selbstkritisch gefragt, wo Kirchen die Begeisterung für den Krieg unkritisch betrachtet oder sie gar unterstützt und mitentfacht haben. Oder wo sie so sehr dem Zeitgeist verhaftet waren, dass sie ein politisches System weltanschaulich-theologisch legitimierten. Minderheitenrechte seien bis heute vor allem in Mittel-, Süd- und Osteuropa ein Thema. Dort sei Kirchen in der Diaspora oft die Aufgabe zugewachsen, neben der konfessionellen auch die kulturelle Identität der Mitglieder zu bewahren.
Flucht und Migration nach dem Ersten Weltkrieg mit bis zu 9,5 Millionen aus- und umgesiedelten Menschen werden genauso als epochales Ereignis gesehen wie die derzeitige «Zuwanderung von Flüchtlingen» in Europa. Gefordert wird «eine gemeinsame europäische, an den Werten der Menschenrechts- und Flüchtlingskonventionen ausgerichtete Politik». Und wer Migration verhindern wolle, komme «um die Frage nicht herum, wie unsere europäische Wirtschafts-, Handels- und Agrarpolitik heute Migration aus anderen Erdteilen und Regionen nach Europa mitverursacht». Die Kirchen werden gebeten, die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung lebendig zu halten und für Demokratie und Rechtstaatlichkeit und deren Stärkung auf allen staatlichen Ebenen einzutreten. Zum Jahrestag des Kriegsendes am 11. November werden die evangelischen Kirchen in Europa gebeten, in der Fürbitte an das Kriegsende zu denken.