Ehemalige Präsidenten
Begegnung mit reformierten Persönlichkeiten
Einsatz für die Schweizer Protestanten, Kirchengemeinschaft, Ökumene, Frieden und Vernetzung weltweit. Die Präsidenten des Vorstands und des Rates des Kirchenbundes haben seit 1920 alle auf ihre eigene Art ihre Spuren hinterlassen. Je nach Quellenlage ist ihr Leben und Werk heute noch gut oder aber sehr schlecht zugänglich. Hier finden Sie die Biografien der bisherigen zwölf Präsidenten.
1920–1921 Friedrich Wilhelm Hadorn
• Pfarrer in Saanen, Köniz, Münsterpfarrer in Bern
• Professor für Neues Testament und Schweizerische Kirchengeschichte an der Universität Bern
• erster Präsident des SEK
• 1925 und 1927 Abgeordneter an den Weltkirchenkonferenzen in Stockholm und Lausanne
1921–1930 Otto Herold
• Pfarrer in Schwanden GL und Winterthur ZH
• Otto Herold verband liberale Theologie mit ökumenischer Weite.
• Leitung der europäischen der Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen 1922–1929
• Er war aktiv in der Friedensorganisation Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen, leitete 1922 in Kopenhagen eine internationale Tagung für zwischenkirchliche Hilfe und nahm 1925 an der Stockholmer Weltkirchenkonferenz und 1927 an der Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne teil.
• verfasste mehrere Werke zur Schul-, Sozial-, Missions- und zur kirchlichen Zeitgeschichte
• Lebensgrundsatz: das Verbindende pflegen und das Trennende zurücktreten lassen
«[Der Kirchenbund] hält es für eine unbedingte Pflicht der christlichen Kirchen, über dem Chaos der menschlichen Leidenschaften die prophetische Stimme der Liebe und des Wohlwollens zu erheben und die Botschaft der Brüderlichkeit allen Menschen zu verkünden. […] Er protestiert gegen jede Verletzung der Menschlichkeit […].»
Botschaft «Die Kirche im Dienst des Friedens» an der Stockholmer Weltkirchenkonferenz 1925
1930–1941 Eugène Choisy
• nach der Ordination wirkte Choisy 1889–90 als Pfarrer der Hugenottenkirche von Canterbury
• 1891–1910 war er Pfarrer in Plainpalais (heute Genf)
• Zwischen 1909 und 1939 war er Professor für Kirchengeschichte an der Universität Genf
• Mehrere Publikationen über Jean Calvin
• 1897 gründete er das Musée historique de la Réformation und 1918 das Institut des ministères féminins
Lesetipp: «La Theocratie a Geneve Au Temps De Calvi»
1941–1954 Alphons Koechlin
• 1910–1921 Pfarrer in Stein am Rhein
• 1914–18 Feldprediger bei den Truppen am Gotthard
• Bis 1954 Frühprediger zu St. Martin in Basel
• 1925 Dolmetscher an der Weltkirchenkonferenz «Life and Work» in Stockholm
• 1927–36 Präsident des Vorstandskomitees des Schweizerischen Verbands für Innere Mission und Liebestätigkeit
• 1933–54 Als Präsident der evangelisch-reformierten Kirche Basel prägte er die «Ära Koechlin»
• 1933–40 Intensiver Briefwechsel mit George Bell, Bischof von Chichester, zu Kirchenkampf und ökumenischer Bewegung. Koechlin leitete Informationen aus der Bekennenden Kirche an Bell weiter.
• 1935–54 Vorstandsmitglied des SEK
• Koechlin war Präsident der Basler Mission und gehörte 1948 bis 1954 dem Zentral- und Exekutivausschluss des neu gegründeten ÖRK an. Während der NS-Zeit leitete er in der Schweiz Nachrichten über die Gefährdung der Juden an politische Behörden weiter und forderte diese zu mehr Grosszügigkeit gegenüber den Flüchtlingen auf.
• Einsatz in der Flüchtlingskrise von August 1942, für die Rettung der Juden in Ungarn im Juni 1944
• 1941–47 präsidierte er das Schweizerische kirchliche Hilfskomitee für evangelische Flüchtlinge.
• 1945 Vertreter der Ökumene beim Stuttgarter Schuldbekenntnis
• Präsident HEKS 1947–1954
• Er wird als einer der wichtigsten evangelischen Kirchenpolitiker in der Schweiz ab 1941 bis in die 1950er Jahre und Schweizer Pionier der Ökumene angesehen.
• Koechlin selbst bezeichnete sich als Vermittlungstheologen
Alphons Koechlin im Februar 1949 zur ersten Verfassungsrevision des Kirchenbundes: «Gerade Kirchen sollten sich leichter als Körperschaften weltlicher Art in der Freiheit, die das Evangelium schenkt, zum gemeinsamen Zeugnis in Wort und Tat, zur Anhandnahme gemeinsamer sich aufdrängender Aufgaben, zur Einheit gegenüber der Welt zusammenschliessen können. Gerade sie sollten frei von augenblicklichen wirtschaftlichen und politischen Wegen dem Staat und den Völkern vorangehen, die gute lebendige Lösung finden, die den Zwang vermeidet, weil zu ihr das freie innere Ja aus Überzeugung gesprochen wird.»
Eingeständnis nach Kriegsende: «Wir haben oft weder zu sprechen noch zu handeln gewagt, beherrscht von der Furcht vor einschüchternden Mächten.»
1954–1962 Henri D’Espine
• war Pfarrer in Verviers (Belgien) und Genf
• Pfarrer in Champel-Malagnou 1930–1952, Pfarrer in Plainpalais bis 1944
• 1937–1964 unterrichtete er praktische Theologie in Genf.
• 1954–1962 Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen
• Anhänger von Karl Barth und Alexandre Vinet
• Als hervorragender Prediger zählte D’Espine während und nach dem Zweiten Weltkrieg zu den führenden Persönlichkeiten des schweizerischen Protestantismus.
• Veröffentlichte 1971 ein Buch über seinen Vorgänger Alphons Koechlin: Alphons Koechlin, pasteur et chef d’Église, 1885–1965
1962–1965 Adolphe Küenzi
• PD Dr. phil. an der Universität Bern, Gymnasiallehrer in Biel (Altgriechisch und Französisch)
• Setzte sich für das Kulturleben Biels und qualitätvolle Zweisprachigkeit ein.
• Vorstandsmitglied und Präsident des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrer. Auf seine Initiative wurde ein Hilfsfonds für Sekundarlehrerinnen und Sekundarlehrer geschaffen.
• Berner Synodalrat und Synodenpräsident
• Vorstandsmitglied des Kirchenbundes ab 1949
• Delegierter an der zweiten Vollversammlung des ÖRK in Evanston 1954
• Mitglied des Exekutivkomitees des Reformierten Weltbunds
• Starb während seines Mandats bei einem Verkehrsunfall kurz vor Weihnachten 1965
1966–1970 Alexandre Lavanchy
• Mitglied der Evangelisch/Römisch-katholische Gesprächskommission der Schweiz (ERGK), unterzeichnet 1967 Gemeinsame Erklärung zur Mischehenfrage und 1970 Richtlinien und Empfehlungen für das gemeinsame Beten und Handeln der Kirchen in der Schweiz
1970–1978 Walter Sigrist
• In den siebziger Jahren gründete Walter Sigrist den Dachverband «Vereinigung der protestantisch-kirchlichen Hilfsvereine». 2007 wurde der Verein in die Protestantische Solidarität Schweiz umbenannt.
• Setzte sich für Eucharistiegemeinschaft der Kirchen ein
• Unterzeichnete 1973 in St. Niklausen OW gegenseitige Taufanerkennung zwischen Kirchenbund, Schweizer Bischofskonferenz und Christkatholischer Kirche der Schweiz
• Arbeitete in den 70er in der jüdisch-christlichen Arbeitsgruppe mit, die 1977 die SEK «Überlegungen zum Problem Kirche – Israel» veröffentlichte
«Wir stehen in einem Dialog mit dieser Welt. Die Tagesordnung ist uns von dieser Welt gegeben. Sie fragt. Aber sie fragt uns nicht nur nach der Gestalt der Gesellschaft, sondern sie fragt uns als Kirche nach Gott. Sie fragt nicht nur nach einer Verbesserung des Daseins, sondern nach ihrer Erlösung. Sie fragt nach einer Zukunft in Frieden. Wir sind in den Dialog gestellt um die Problematik, die die Welt bewegt – aber dies als Kirche, das heisst: nicht um neben Analysen eine neue Analyse zu setzen, neben das Programm ein verbessertes Programm, sondern um zu bezeugen, dass Christus Haupt der Kirche, Erlöser der Menschen und Retter dieser Welt ist.»
Walter Sigrist in seiner Ansprache des Präsidenten des Vorstandes in der Sommer-Abgeordnetenversammlung 1971
1978–1986 Jean-Pierre Jornod
• Studium an der Evangelischen Fakultät von Paris, das durch die Deportation, die er zwischen 1942 und 1945 erlebte, unterbrochen wurde, Abschluss in Genf 1947
• Pfarrer in Frankreich: in Vincennes bei Paris und bis 1958 in Pontarlier; in Thônex
• 1966 bis 1978 Generalsekretär der Genfer Kirche ENPG
• Begrüsste 1984 Papst Johannes Paul II. bei seiner Schweizreise in Kehrsatz BE
• Bis kurz vor seinem Tod sehr aktiv an der Lancierung der ökumenischen Konsultation über die wirtschaftliche und soziale Zukunft der Schweiz beteiligt
1986–1998 Heinrich Rusterholz
• Gemeindepfarrer in Dürnten ZH
• im Auftrag der Basler Mission vier Jahre in Sabah/Malaysia tätig
• 1970–1986 Leiter des Pfarramtes für Ökumene, Mission und Entwicklungsfragen der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich
• aktiv in der Zusammenarbeit europäischer Kirchen, sein Anliegen: Vertiefung der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in Europa
• 1996–2001 geschäftsführender Präsident der Leuenberger Kirchengemeinschaft
«Unsere Gesellschaft vertritt ‹christliche Werte›. Daher ist sie auf das Zeugnis von der Freiheit in Christus angewiesen. Diese freundschaftliche Geschlossenheit möge die EKS im eigenen Land ausstrahlen. Mit Paulus sei ihr gewünscht, über unsere Grenzen hinweg: ‹Lasset eure Freundlichkeit spüren› in der Ökumene und in den bilateralen Beziehungen zu den aktuell bedrohten Kirchen in Asien und Afrika. Auch sie brauchen Freunde im Land der Reformation.»
Heinrich Rusterholz in seinem Grusswort zu 100 Jahren Kirchenbund
1999–2010 Thomas Wipf
• Theologe und Pfarrer in Schönenberg ZH, Industriepfarrer
• 1987–1998 Delegierter in der Abgeordnetenversammlung des SEK
• 2004–2010 Mitglied des Präsidiums der Konferenz Europäischer Kirchen KEK
• 2006–2012 Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE
• von 2006 bis 2010 war er Vorsitzender des von ihm initiierten Schweizerischen Rates der Religionen SCR.
• Mitinitiant des Open Forum Davos
• Moderator/Präsident des European Council of Religious Leaders ECRL Religions for Peace – Europäischer interreligiöser Rat, seit 2012
«Viele Menschen erwarten für die Lösung dringlicher gesellschaftspolitischer Fragen einen fundierten Beitrag der evangelischen Kirchen. Das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Wurzeln ist eine Herausforderung, die klare Analyse, Geduld, Pragmatismus und Kreativität verlangt. Es geht nicht nur darum, Probleme zu lösen, sondern auch um die Chancen gegenseitiger Bereicherung. Wir dürfen die Themen der Integration nicht länger politischen Scharfmachern überlassen.»
Thomas Wipf in seiner SEK-Abschiedsrede 2010
«Zum evangelischen Profil gehört zuallererst die Dankbarkeit für das Beschenktsein von Gott, ohne zuerst eigene Voraussetzungen erfüllen zu müssen. ‹Du bist durch Jesus Christus frei›, sagt das Evangelium zu jedem Menschen, ‹um dich musst du dir keine Sorgen machen›. Dieses uns geschenkte Vertrauen ist der Grund, weshalb wir vertrauensvoll leben können. Und daraus folgt so vieles, was mir kostbar ist: Eine letzte Geborgenheit und daraus eine starke Hoffnung, die Erkenntnis, wie wertvoll jedes einzelne Menschenleben für Gott ist, die Freiheit, unterschiedliche Auffassungen und Lebensweisen als Reichtum zu verstehen, die Einladung zu kreativer Mitgestaltung des menschlichen Zusammenlebens, die Ermutigung, auch gegen den Strom sich für das einzusetzen, was einem im Herzen brennt. Das Nachdenken über ‹evangelisches Profil› ist vor allem auch Ausgangspunkt für ökumenische Annäherung und Überwindung vermeintlich trennender Elemente konfessioneller Profile. Wir brauchen als Protestanten die Ergänzung durch unsere Schwesterkirchen: die Kulturen verbindende Katholizität, die Schönheit als Gotteslob der orthodoxen Liturgie, den Enthusiasmus der Pfingstgemeinden.»
Thomas Wipf in einem Interview im Vorfeld der GEKE Vollversammlung in Budapest 2006
2011–2020 Gottfried Locher
• Ordination zum Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Bern 1993
• 1994–1999 Pfarrer der Schweizer Kirchen in London
• Promotion in systematischer Theologie (zum Kirchenverständnis der Reformatoren), King’s College, University of London 2000
• 1999–2001 Beauftragter für Ökumene
• 2001–2005 Leiter der Abteilung für Aussenbeziehungen SEK
• 2002–2005 Präsident des Reformierten Weltbundes Europa
• 2006–2010 Leitung des Instituts für Ökumenische Studien der Universität Freiburg
• 2008–2010 Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
• 2012–2020 Mitglied des GEKE-Präsidiums, ab 2015 geschäftsführender Präsident